Schwarze Katze oder Mittwoch, der 13.

Mein Vater brachte uns das Kartenspiel „Schwarze Katze“ bei. Kurz nach meinem zwölften Geburtstag. Kurz nachdem er bei meiner Mutter und mir eingezogen war.

Die Einzelheiten oder Regeln des Spiels müssen gar nicht erklärt werden, um bloßzulegen, weshalb es nicht mein Lieblingsspiel wurde: Man kann keine Pluspunkte sammeln. Im gesamten Kartenspiel, vom ersten bis zum gnadenvollen letzten Stich geht es darum, so wenig wie möglich Minuspunkte oder anders ausgedrückt, keine herzverseuchten Stiche, auf der eigenen Tischseite zu stapeln. Die hübscheste und zugleich schlimmste Karte im Blatt, die Pikdame, war von nun an mit schlechtem Ruf unterwegs. Mein Harmonieempfinden wehrte sich gegen die Kartenrunden, denn wie oft wir uns in bester Absicht, Familienzeit miteinander zu verbringen, zusammensetzten, jedes Mal gingen wir im Streit auseinander. Wie kann man auch annehmen, gutes Karma zu verbreiten, indem man den Mitspielern alles Schlechte in die Schuhe schiebt, ohne die Möglichkeit für jene, innerhalb der Familienzeit mit Pluspunkten aus dem Gefühlskeller zu klettern? Also beschloss ich zu verlieren, mit Absicht, aber nicht für immer.

Über dreißig Jahre später starte ich an einem Januarmorgen den Weg zur Arbeit. Wie immer ein bisschen spät, weil ich mir nicht merken kann, dass die Baustelle kurz vor dem Bahnhof die direkte Einflugschneise ewig noch versperrt. Vielleicht schaffe ich es trotzdem. Es ist Mittwoch, der 13. Ich haste die Treppen des Mehrfamilienhauses hinunter und falle beinahe über das schwarze Tier. Die Katze liegt im Weg. Nicht das erste Mal. Sie liegt überall rum, als wüsste sie nicht, wohin sie gehört. Ungeliebt oder aussortiert? Kurz vor der Haustür steht ein Allzweckkorb, in den Bücher, angeschlagene Tassen und Gläser und Werbezeitschriften ohne Umweg über den Briefkasten in den Abfall wandern. Direkt über der illegalen Hausmülldeponie prangt ein Schreiben der Hausverwaltung, das Aussortiertreiben zu unterlassen. In diesem Korb lag die Katze noch nie.

Mit dem ersten Schritt vor die Tür verlängert sich die benötigte Zeit zum Bahnhof blitzeismäßig. Es ist sauglatt! Glücklich am Büro angekommen, stelle ich fest, in der Eile die Einlasskarte vergessen zu haben. Überall nur geliehenen Zutritt zu haben, macht ziemlich unbeweglich. Noch dazu ist mir die Schlaufe meiner vorgeschriebenen Mund-Nasen-Bedeckung gerissen, was mir den Eintritt beim Bäcker erschwert. Nicht so schlimm, ich kann sowieso nichts kaufen, weil die Geldbörse auch zuhause geblieben ist, in der anderen Jacke.

Wieder zurück im häuslichen Treppenhaus, liegt die Katze auf der Fußmatte, quer drüber, und weiß nichts von ihrer Symbolkraft. Mir ist zwar nicht klar, wer die Karten verteilt hat, aber es sieht so aus, als blieben mir die Minuspunkte nicht erspart. Ich kann das Tier nicht in die Wohnung lassen, Katzenhaarallergie. Mit weitem Schwung gelange ich über das Tier hinweg in den rettenden Flur und streiche den Tag auf dem Kalender durch mit der Erkenntnis, der 13. muss nicht immer ein Freitag sein, und diese Katze ist wahrscheinlich ein Kater.