Schreibspaziergang
Was Interessantes. Irgendwas Experimentelles, ohne Themenvorgabe. Ich darf nicht auf die Stimmen in meinem Kopf hören. Alles ist erlaubt. Bis über die Grenzen des Gewohnten und des Gewöhnlichen hinaus. Sind Stimmen im Kopf gewöhnlich, wenn sie gewohnt sind? Es soll atemlos machen, fassungslos, pausenlose Diskussionen anregen, Achtsamkeit erzeugen.
Huch, aufgepasst! Das kommt davon, wenn die Sinne falsch ausgerichtet sind. Eine sechsspurige Stadtlebensader. Hier passiert bestimmt öfter Interessantes. Ein Verkehrsunfall zum Beispiel, ein unachtsamer Fußgänger wird überfahren. Kann man darüber schreiben? Was ist experimentell daran? Heute ist es vielleicht neu, aber morgen ist anderes besser und moderner und noch schräger. Ist nicht das gestern Geschriebene genug? Bist du nicht atemlos von der Jagd, sei ehrlich, du bist eine Getriebene. Hockst dich nieder, um zu schreiben, statt auszuruhen und zu genießen. Gib Acht, sei achtsam. Hast du den Wahrnehmungskurs schon vergessen? Seid still!
Wahrnehmung mit allen Sinnen. Okay, wie ging das nochmal? Sehen, hören … hat ja gut geklappt mit dem über-Präfix. Die Straße übersehen, den Lärm überhört. Fast hätten Stoßstange und Kotflügel mich ans Fühlen erinnert, dann würde ich jetzt Abgase am unmittelbaren Ausscheidungsort riechen, vielleicht sogar Blut schmecken. Brauchst du alle Sinne, um Grenzen zu testen? Die Autoreifen vor der Ampel stöhnen ob der verpassten Chance. Sie keuchen auf beim Abbiegen in der nächsten Kurve. Wieder verpasst. Flapp, flapp, ffflllaaappp springen die Tauben träge beiseite, picken nach den verlorenen Süßkartoffelpommes vom Dom Curry. Nada, kein Curry. Njet müsste es heißen. Von Curry keine Spur, die Luft ist erfüllt von zu viel Fritteusenfett, hier vor dem fünf-Sterne-Hotel und drinnen erst recht ist Russengebiet. Heb die Nase und du erkennst süßes Parfüm, geleckte Haare und gestreichelte Bärte. Das ist leicht. Schreib es auf oder lass es. Du willst mehr, ich weiß!
Das Geflüster der Metallschrauben an den Laternen fasziniert, sie leiten das Echo, das Getuschel der Kondome und der Glanz der Spritzen unten den feuchten Tempos im Abfall gehören zur höheren Laufbahnprüfung des Autors. Dazu muss man sehr genau in sich hinein horchen, an den inneren Stimmen vorbei hören, denn die Besonderheiten des Verborgenen wählen nie die Gerade, sondern den Umweg durch das Medium, um jede Berührung mit dem Gewöhnlichen zu vermeiden.
Kommt ein Russe mit Kondom und Spritze in ein fünf-Sterne-Hotel. Klingt wie der Anfang von einem Witz. Einem schlechten Joke. Lässt sich daraus eine würzige Buchstabensuppe kochen, ein fernöstlicher Tee? Bong!! Die Wahrheit macht mich sprachlos. Wieso etwas ausdenken, was längst passiert ist! Habe ich gerade aufgedeckt, dass an diesem Ort ein Systemkritiker vergiftet wurde? Nie, niemals am Flughafen, vor lauter Überwachungskameras. Ich vergesse Luft zu holen. Na bravo. Eine Geschichte über ein menschliches Experiment, für die mehr als die Grenzen des Gewöhnlichen überschritten werden, sobald sie vorgetragen und veröffentlicht wird. So oder so. Hörst du auf die Stimmen, fangen sie dich, höre ich nicht auf sie, kriegen sie mich. Worauf warten?