Nach Gestern kommt Morgen

„Aufwachen, Frau Rösler. Besuch für Sie!“
Ach Gott, Besuch! Wer wohl kommt?
„Haben Sie ein Glück, gestern Ihre Tochter, heute Ihre Enkelin.“
Moment, war gestern jemand hier? Was für ein Tag ist heut? Was war gestern?
Besuch ist nicht immer nett. Manche Leute haben ein seltsames Benehmen am Leib. Oh – ein freundliches Lächeln. Hat sie gesagt, wer sie ist? Hübsche Person. So eine schlanke Figur. Ob sie je Kinder geboren hat? Ich habe! Habe ich? Ich habe doch Kinder, oder? Wo sind sie jetzt?
Ahh, das Lied kenn‘ ich. Die Frau spielt richtig gut. Wie heißt noch das Dingens? Ach komm schon, Hirn, das gibt‘s doch nicht! Ich hab’s gleich, Gitarre, na endlich! Genau so eine. Hat ich auch mal. Die hab ich überall mitgenommen. Schöne Zeit war das. Was wir alles erlebt haben!
Ostsee. Da sind wir hingefahren. Mein Bär und ich. Mit dem Rad damals. Jeden Kilometer haben wir in den Beinen gespürt. Da gab‘s, da war so eine flache Bucht, die reichte weit rum. Den ganzen Tag sind wir dortgeblieben.
Oh, das Gesicht! Wie das Gesicht gebrannt hat! Erst Wind, dann Sonne.
Wir haben Kartoffelsalat und Kuchen dabeigehabt, immer selbst gemacht. Immer, ja. So viel Aufwand und dann … Was wollt‘ ich? Verflixt! Ach, verrückt, es hat alles nach Salz geschmeckt. Wir haben die Finger saubergelutscht, und wenn man den Schweiß von den Lippen wischt, weißt, wie das juckt?
Ja, so war‘s. Faul rumliegen gab‘s nämlich nicht. Ball über‘s Netz und dieses flache Ding. Das fliegt hin und her wie – ach, egal. Was haben wir noch ge-, gespielt?
Manchmal, manchmal sind wir nach dem Baden in das kleine Zelt gekrochen. Mein Bär und ich. Zum Aufwärmen. Reißverschluss zu. Mehr sag ich nicht!
Ach, Bärchi. Wenn man einmal so liebt. Nie wieder. Nie wieder hat jemand solche Hände gehabt.
Abends, haben wir Muscheln gesammelt, die kleinen weißen. Ich hab später immer welche in den Taschen gefunden, irgendwo. Irgendwo hab ich bestimmt noch eine. Die haben hübsch ausgesehen auf unserer Kleckerburg. Ein wahres Kunstwerk, hmmh. Tropfnass muss der Schlamm sein. Mit trocknem Sand geht’s nicht. Der rieselt weg wie nix. Mir fehlt das Kitzeln unter den Füßen. Barfuß tanzen am Strand.
Und jetzt? Nebel und Staub! Ist das alles, was übrigbleibt? Keine Liebe mehr? Und was kommt morgen?
Dieses Lächeln. Was hat die Frau gesagt, wer sie ist? Sie hat so etwas Warmes in der Stimme, wenn sie singt und spricht. Wie schön jung ihre Hände aussehen! Hmm, sie riecht wie …, sie erinnert mich an, äh, an lila Blumen. Veilchen, vielleicht?
Hach, Mensch, ich kann mir einfach nix merken. Sie ist so freundlich zu mir. Sie kommt später bestimmt irgendwann in den Himmel. Ob, ob wir uns dort wiedersehen? Ob wir uns dann erkennen?
Nein, es macht keinen Spaß alt zu sein. Es bleibt so wenig bis zum Schluss. Kein Laufen mehr. Kein Tanzen am Strand. Nur noch Musik. Und dann der Traum.
Bär? Bär, bist du das? Ich freu mich auf dich.