Der Wind spielt mit meinem Haar und dem offenen Mantel, während ich auf den Sechs-Uhr-Zug warte und so tue, als würde ich nicht bemerken, wie die umstehenden Männer unter dem eng anliegenden Stoff meines Kleides nach den feinen Linien von BH und Slip suchen, die sich dort abzeichnen müssten. Auch mit 47 Jahren kann ich es mir leisten, auf diese Streifen zu verzichten.
Der Zug kommt und wir steigen ein. Ich setze mich ans Fenster, mir gegenüber eine junge Frau vom Typ Nathalie Portman. Sie schiebt ihre Lederjacke von den Schultern und klappt ein Buch auf.
Ich hoffe, sie bekommt nicht mit, wie ich sie anstarre. Obwohl ich mit Pinsel und Farbe nicht umgehen kann, drängt es mich plötzlich, sie zu zeichnen. Mit einem harten Stift ihre Konturen nachzuziehen und mit Fingern und Spucke zu verwischen, bis mir der Mund trocken wird. Ihre schlanken Beine, die runden Hüften und die schmale Taille einer Tänzerin.
Fasziniert beobachte ich, wie die sahnige Haut über ihren Brüsten sich beim Atmen hebt und senkt. Die Nervenenden in meinen Fingerkuppen vibrieren vor Spannung und auf einmal schmecke ich den Hauch von Zimt und Zitrone auf meiner Zunge. Die Duftspur führt zu ihr.
Als Künstlerin dürfte ich herausfinden, wonach ihre Haut sich anfühlt: nach glattem Marmor oder warmer Vanillecreme?
Für einen Moment schließe ich die Augen und atme tief ein, horche auf die Schienenschläge unter mir, deren stummer Rhythmus sich auf mich überträgt.
Ein leises Kichern lässt mich neugierig zu meinem Gegenüber schauen. Ihre Augen, in denen das Wesen einer Nixe lauert, erforschen mich. Mal grün, mal blau schimmernd wandert ihr Blick in meinem offenen Mantel abwärts.
Gebannt verfolge ich, wie sie dabei eine Strähne ihres Haars nach vorne zieht und über ihre Lippen streichen lässt. Mein Mund prickelt und öffnet sich etwas, als sie den kitzligen Reiz von ihren Lippen leckt.
Von einer FRAU so angesehen zu werden ist neu für mich. Ich fürchte und genieße ihren Blick. Spüre, wie sich das Blut in meinen Brustwarzen sammelt und sie gegen den weichen Stoff des Kleides drückt. Der Platz, auf dem ich sitze, scheint sich aufzuheizen.
Nathalie rutscht ein Stück vor, bis unsere Knie sich berühren. Im Reflex zuckt mein Bein zur Seite, was ihr ein Lächeln entlockt. Sie neigt ihren Oberkörper zu mir und legt ihre Hand leicht auf meinen Schenkel.
Heiß auf kalt. Der Temperaturunterschied unserer Hautflächen entfacht einen Sturm in meinen Adern. Das wilde Rauschen weckt den Wunsch, die Kleidung auf meinem Körper gegen ihre Hände zu tauschen.
Stattdessen ziehe ich meine Arme um mich und starre auf die flachen Kuhlen an ihrem Hals, in denen ich ihren Pulsschlag zu sehen glaube. Mein Herz pocht so stark, dass ich es festhalten muss.
„Entschuldigung“, sagt sie im Aufstehen, nimmt Buch und Jacke.
Noch nicht meine Station.
„Na, dann …“ Sie lässt den Satz offen. Im Vorbeigehen streift sie meine Schulter und Zimtduft dringt mir in die Nase. Ich schlucke, um meine Zunge vom Gaumen zu lösen.
Wie von selbst sucht meine Hand nach der Stelle auf dem Bein, die noch warm ist von ihrer Berührung. Es hat sich verdammt gut angefühlt. Zufall? Plötzlich springe ich auf und folge ihr.