Neulich sagte ich zu meinem Kind (volljähriges Pubertier = Zielpublikum meiner Ansprache): Zieh dir eine warme Jacke an (impliziert, wir haben Winter) und bring den Müll runter. Bitte! – Die sofortige Antwort lautete: Ich will keine Jacke anziehen!
Der Mülleimer war kurz darauf wie von Zauberhand geleert.
Die Frage nach dem Zielpublikum führt mich immer zur Frage, warum ich schreibe.
Wenn ich mit dem Schreiben ausschließlich mich selbst verwirklichen möchte, warum soll ich mich im Thema, im Stil und in der Form nach den Wünschen und Vorstellungen einer mir persönlich größtenteils unbekannten Gruppe richten, mich beschränken oder mir sogar diktieren lassen? Das gilt erst recht, wenn ich nicht für mich schreibe, sondern Anderen etwas zu sagen habe. Was ist denn, wenn die Zielgruppe bemerkt, dass ich sie mit meinem Text für etwas Bestimmtes, gerade dieses, mein Geschreibe, interessieren möchte?
Es gibt einen Grund, warum Kinder- und Jugendliteratur so kompliziert zu vermarkten ist. Kinder sind oft Widerspruchsgeister. Sie baden in dem Wissen, in dem Können, alles abzulehnen und anders zu machen (siehe oben) als ihnen (vorsichtig ausgedrückt) empfohlen wird. Mein Kind ist König dieser Willensbrecher. Er merkt und wittert überall Manipulation. Wie will ich denn herausfinden, was meine Zielgruppe (Kinder und Jugendliche) will, wenn sie es selbst (noch) nicht weiß, außer eben, was sie nicht will?
Es gibt sicher genug Erwachsene (in der Zielgruppe Erwachsene), die sich ihren kindlichen Widerspruchsgeist bewahrt haben und sagen: Nicht dein Vorschlag, nicht dein Angebot, sondern meine Idee macht mich glücklich. Manchmal handelt es sich dabei um ein und dasselbe, aber es können Jahre zwischen der Erkenntnis liegen und der kategorischen Ablehnung davor.
Deshalb nehme ich mir das Recht heraus zu schreiben, was und wie ich will, um mich nicht zu verbiegen, um ehrlich zu mir selbst und meinem widerspenstigen Publikum zu sein.